Wie haben EU-Maßnahmen gegen illegale Fischerei die Handelsströme von Fischereiprodukten verändert? Und was können wir daraus lernen?

Zehn Jahre nach Einführung der IUU-Verordnung untersucht ein neuer Bericht, welche Auswirkungen das sogenannte EU-„Kartenverfahren“ auf die Einfuhren von Fischereiprodukten in die EU und auf den Handel zwischen EU-Mitgliedstaaten haben.

Vor zehn Jahren gingen Schätzungen davon aus, dass jährlich 500.000 Tonnen illegaler Fischereiprodukte ihren Weg auf den EU-Markt finden. Der unerlaubte Handel mit einem Volumen von 1,1 Milliarden Euro wirkt sich nicht nur sozio-ökonomisch negativ auf Küstenregionen aus, er dezimiert gleichermaßen unsere wertvollen Meeresressourcen. Die Europäische Union ist der weltweit größte Markt und Importeur von Produkten aus Fischerei und Aquakultur. Jeder EU-Bürger konsumiert im Schnitt 25,5 kg Fisch pro Jahr. Daher war die Verabschiedung der EU-Verordnung zur Bekämpfung illegaler, nicht gemeldeter und unregulierter (IUU-) Fischerei eine wichtige Maßnahme, um sicherzustellen, dass der Fisch auf unseren Tellern legaler Herkunft ist.

Die Verordnung ist weltweit das wohl ambitionierteste Gesetzespaket im Kampf gegen IUU-Fischerei und nutzt eine Reihe handelsbezogener Maßnahmen. Das „Kartenverfahren“ der Verordnung hat sich als besonders wirksam erwiesen, um Fischereireformen in Drittländern anzustoßen – sowohl in Bezug auf Verbesserungen des Fischereimanagements als auch hinsichtlich der Kontrollen zur legalen Herkunft von Fischereiprodukten. Die EU-Kommission verwarnt Drittländer (‚gelbe Karte’), wenn diese verabsäumen, Maßnahmen im Einklang mit internationalen Standards gegen IUU-Fischerei zu ergreifen. Werden Mängel nicht innerhalb eines vorgegebenen Zeitraums behoben, dürfen Fischereiprodukte aus dem Drittland nicht mehr in die EU importiert werden (‚rote Karte’), bis notwendige Reformen erfolgt sind. Dieses Verfahren entfaltet maßgeblichen Einfluss auf das exportierende (‚mit Karte belegte’) Land und auf den importierenden EU-Mitgliedstaat.

Seit Inkrafttreten der Verordnung im Januar 2010 wurden 25 Länder mit einer gelben Karte verwarnt. Drei davon sind noch heute mit einer roten Karte sanktioniert (siehe Liste).

Was geschieht mit den Handelsströmen von Fischereiprodukten, wenn ein Land eine gelbe oder rote Karte erhält?

Der Bericht, der heute von EJF, Oceana, Pew und dem WWF* in Zusammenarbeit mit TRAFFIC veröffentlicht wird, ist die erste ausführliche Untersuchung, die zeigt, dass es seit 2010 zu Veränderungen bei den Einfuhren von Fischereiprodukten kam, die offenbar in direkter Verbindung zur IUU-Verordnung stehen. Der Bericht konzentriert sich auf „risikobehaftete“ Warenströme in die EU im Hinblick auf die Wahrscheinlichkeit, dass die Erzeugnisse unter Missachtung relevanter Fischereiregeln gefangen wurden.

Im Gegensatz zu früheren Untersuchungen macht der Bericht deutlich, dass mangelhafte Einfuhrkontrollen und unterschiedliche Kontrollniveaus in den Mitgliedstaaten ein Einfallstor für nicht konforme Erzeugnisse in den EU-Markt sein können.

Der Bericht hebt insbesondere verschiedene Beispiele für risikobehaftete Handelsströme hervor, die sich unter den EU-Mitgliedstaaten verändert haben, nachdem bestimmte exportierende Drittländer mit Verwarnungen (‚gelbe Karte’) belegt wurden. Nach der Verwarnung hat beispielsweise Italien höhere Einfuhren von über der Hälfte der untersuchten Drittländer/ Gebiete gemeldet. Das traf insbesondere auf hochwertige Produkte wie Schwert- und Thunfisch zu.

Von Italien gemeldete Importe von gefrorenem Gelbflossen-Thun aus Ghana* (2005-2016)

Von Italien gemeldete Importe von gefrorenem Gelbflossen-Thun aus Ghana (2005-2016)

Quelle: Eurostat
*Gelbe Karte wurde im November 2013 verhängt und im Oktober 2015 zurückgezogen

Von Italien gemeldete Importe von gefrorenem Schwertfisch aus Taiwan*

Von Italien gemeldete Importe von gefrorenem Schwertfisch aus Taiwan

Quelle: Eurostat
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Gelbe Karte wurde im Oktober 2015 verhängt und bisher nicht zurückgezogen (Stand: 5.2.2018)

Portugal meldete einen Anstieg an Einfuhren aus verschiedenen Drittländern, die eine Karte erhalten hatten. Zeitlich deckten sich die höheren Einfuhren oft mit von Spanien gemeldeten, niedrigeren Importen selbiger Waren (Schwertfisch, Hai und Surimi). Eine Analyse der Handelsbewegungen zwischen EU-Mitgliedstaaten gibt Hinweise darauf, dass Portugal als Eintrittspunkt für Produkte benutzt wurde, die letztlich für Spanien bestimmt waren. Aufgrund des EU-Binnenmarkts ist es den spanischen Behörden nur schwer möglich, die legale Herkunft dieser Fischereiprodukte zu überprüfen.

Von Spanien und Portugal gemeldete Importe gefrorenen Schwertfischs aus Panama*

Von Spanien und Portugal gemeldete Importe gefrorenen Schwertfischs aus Panama

Quelle: Eurostat
*Gelbe Karte wurde im November 2012 verhängt und im Oktober 2014 zurückgezogen

Handel mit gefrorenem Schwertfisch innerhalb der EU* von Portugal nach Spanien

Handel mit gefrorenem Schwertfisch innerhalb der EU* von Portugal nach Spanien

Quelle: Eurostat
*Enthält Angaben von Portugal als Abgangsmitgliedstaat (Ausfuhr innerhalb des EU-Binnenmarkts) und Spanien als Ankunftsmitgliedstaat (Einfuhr innerhalb des EU-Binnenmarkts)

Weitere EU-Mitgliedstaaten, die gewöhnlich nicht als maßgebliche Importeure von Fischereiprodukten in der EU gelten, meldeten ebenso ungewöhnliche Handelsspitzen und andere Unregelmäßigkeiten. Beispiele hierfür sind Österreich, Belgien, Bulgarien, Kroatien, Tschechien, Lettland, Litauen und Polen.

Das unterstreicht den dringenden Bedarf für eine verbesserte Koordination und Harmonisierung von Einfuhrkontrollen in allen Mitgliedstaaten.

Transit- und Zielländer in der EU müssen sich untereinander enger abstimmen, um sicherzustellen, dass Fangbescheinigungen für Einfuhren von Fischereiprodukten effektiv geprüft werden. Entlang der gesamten EU-Grenze – auch in kleineren Mitgliedstaaten – müssen engmaschige Überwachung und Einfuhrkontrollen einheitlich zur Anwendung kommen. Eine EU-weite IT-Datenbank für eine harmonisierte, aufeinander abgestimmte und risikobasierte Kontrolle von Einfuhren von Fisch und Meeresfrüchten ist unabdingbar für den Erfolg der IUU-Verordnung. Der Aufbau dieses IT-basierten Systems muss oberste Priorität für die EU-Kommission und die Mitgliedstaaten haben.

Die Environmental Justice Foundation (EJF), Oceana, The Pew Charitable Trusts (Pew) und der WWF setzen sich gemeinsam in einer Koalition für die einheitliche und wirksame Umsetzung der EU-Verordnung zur Beendigung der illegalen, nicht gemeldeten und unregulierten (IUU-) Fischerei ein.

Quelle: EJF, Oceana, Pew und WWF ; image: (c) EJF
Von: Victoria Mundy